Wie funktioniert das mit der Wettkampfverpflegung? Was ist besser Gel, Riegel oder etwas zu Trinken? Ab welcher Distanz macht Wettkampfverpflegung überhaupt Sinn? All diese Fragen und noch viel mehr werden in diesem Artikel beantwortet.Wettkampfverpflegung mit Kohlenhydrate (Theorie)
Was erwarten wir uns von einer Wettkampfverpflegung
Ich wette, dass jeder Läufer, der schon mal einen Wettkampf gelaufen ist, auch Wettkampfverpflegung zu sich genommen hat. Ich wette aber auch, dass kaum einer weiß wie viel und wie oft man Wettkampfverpflegung zu sich nehmen muss, um die optimale Leistung zu erzielen. Außerdem fragt man sich bestimmt auch, welche Form der Verpflegung die beste ist, Gel, Riegel oder Trinken?
Aber fangen wir mal ganz von vorne an und versuchen mal selbstständig die optimale Wettkampfverpflegung zu entwickeln. Was erwarten wir von einer Wettkampfverpflegung?
Die Wettkampfverpflegung soll so beschaffen sein, dass wir einen Wettkampf in einer besseren Zeit absolvieren als ohne die Wettkampfverpflegung. Wie kann man das nun erreichen? Spontan fallen mir da zwei Möglichkeiten ein:
- Während einer sportlichen Leistung verbraucht der menschliche Körper Energie. Geht der Energievorrat zur Neige, ermüdet der Körper. Ziel wäre es also, die Ermüdung möglichst weit hinauszuzögern.
- Durch geeignete (legale) Zusatzstoffe steigern wir die Ausdauerleistung des menschlichen Körpers.
Ja, es gibt tatsächlich Stoffe, die legal sind und die menschliche Ausdauerleistungsfähigkeit steigern (z. B. Koffein). Diese werden wir in diesem Artikel aber nicht betrachten, da es sonst den Rahmen sprengen würde. Wir konzentrieren uns also vollends auf den ersten Punkt.
Fette oder Kohlenhydrate?
Wir möchten also eine Wettkampfverpflegung herstellen, die dafür sorgt, dass wir bei einer intensiven Belastung nicht so schnell ermüden. Warum ermüden wir aber bei einer Belastung irgendwann? Für eine intensive Belastung benötigt der Körper Energie und diese Energie bezieht er hauptsächlich aus den Fett- und Kohlenhydratspeichern im menschlichen Körper. Aber welche Energiereserven zapft der Körper denn an, Fette oder Kohlenhydrate? Die Antwort ist leider nicht so einfach. Das hängt nämlich von einigen Faktoren ab. Bei einer moderaten Belastung (30 – 60 % VO2peak) wird hauptsächlich Fett als Energiereserve verwendet. Bei intensiven Belastungen hingegen werden hauptsächlich Kohlenhydrate als Energieträger verwendet . Was man außerdem festgestellt hat ist, dass es vom Trainingszustand des Sportlers abhängt, in welchem Maße welche Energiereserve angezapft wird .
Wie bekommt man überhaupt heraus, dass das so ist? Man hat in diesen Studien Sportler unterschiedlich starken Belastungen ausgesetzt und vor und nach der Belastung den Gehalt an Fettsäuren im Blut und den Blutzucker ermittelt. Diese beiden Werte geben an, welche Energiereserve im Körper angezapft worden ist. Bei moderaten Belastungen war der Gehalt an Fettsäuren im Blut größer als bei intensiven Belastungen. Dies lässt darauf schließen, dass bei moderaten Belastungen (30 – 60 % VO2peak) vermehrt Fette im menschlichen Körper zur Energiegewinnung genutzt werden. Bei intensiven Belastungen hingegen war der Blutzucker der dominierende Faktor, was darauf schließen lässt, dass dafür vermehrt Kohlenhydrate zur Energiegewinnung herangezogen worden sind.
Diese Erkenntnis lässt einen interessanten Schluss zu. Wenn man den Körperfettanteil reduzieren möchte, dann sollte man eher auf moderate Belastungen statt auf intensive Belastungen setzten, da dadurch vermehrt der Fettstoffwechsel angekurbelt wird. Dies ist aber ein anderes Thema, was ich hier nicht weiter vertiefen möchte.
Außerdem hat man festgestellt, dass wenn ein Sportler während einer intensiven Belastung ermüdet auch der Gehalt an Blutzucker im Blut sinkt . Daraus lässt sich schließen, dass der Körper weniger Kohlenhydrate in Energie umgewandelt hat und somit die Kohlenhydratspeicher im Körper erschöpft sind.
Bei einem Wettkampf ist der menschliche Körper über einen längeren Zeitraum einer intensiven Belastung ausgesetzt. Wir können also davon ausgehen, dass der Körper auf seine Kohlenhydrat- und weniger auf seine Fettreserven zurückgreift. Unsere Wettkampfverpflegung sollte also im Wesentlichen aus Kohlenhydraten bestehen.
Wie viele Kohlenhydrate braucht der Körper?
Wir wissen schon mal das bei intensiven Belastungen, die Kohlenhydratspeicher geleert werden und das wir diese während des Wettkampfes wieder zuführen müssen. Wenn wir in einem Wettkampf Kohlenhydrate zuführen wollen, dann müssen wir auch wissen wie viel und wie oft wir Kohlenhydrate zuführen sollen.
Smith und seine Kollegen haben dazu im Jahr 2010 eine interessante Studie veröffentlicht . Sie haben in etwa gleich gute Rennradfahrer in verschiedenen Gruppen eingeteilt und ein Radrennen simuliert. Jede Gruppe hat pro Stunde eine bestimmte Menge Kohlenhydrate bekommen. Eine Gruppe hat gar keine Kohlenhydrate bekommen, die zweite Gruppe hat 15 g Kohlenhydrate pro Stunde (g/h) bekommen, die dritte 30 g/h und die vierte Gruppe 60 g/h.
Zuerst mussten die Rennradfahrer zwei Stunden lang und alle bei gleichem Tempo auf einem Fahrradergometer fahren. Damit sollten die Kohlenhydratspeicher der Fahrer belastet werden. Direkt im Anschluss (ohne Pause dazwischen) mussten alle Teilnehmer ein 20-km Rennen fahren. Am Ende wurde geschaut, welche Gruppe die schnellste 20-km Zeit gefahren ist. Man kann davon ausgehen, dass die Gruppe, die die größten Energiereserven hat, die schnellste 20-km Zeit fahren würde.
Die Gruppe, die 60 g/h Kohlenhydrate zugeführt bekommen hatte, ist die schnellste 20-km Zeit gefahren. Dahinter folgte die 30 g/h-Gruppe und danach die 15 g/h-Gruppe. Die Gruppe, die keine Kohlenhydrate zu sich genommen hatte, hatte auch die langsamste 20-km-Zeit. Während des Rennens hat man auch den Blutzucker der Fahrer gemessen, um zu schauen, wie viele Kohlenhydrate die Fahrer verwertet haben. Im Ergebnis kamen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass man bei einem Wettkampf ca. 60 g Kohlenhydrate pro Stunde verwertet.
Diese Art von Studien hat man noch mehrmals wiederholt . Insgesamt kam man zu dem Ergebnis, dass der Mensch bei intensiven Belastungen maximal 60 bis 70 g Kohlenhydrate einer Sorte pro Stunde verwerten kann . Diese Studien haben nur Kohlenhydrate einer einzelnen Sorte untersucht, aber keine Mischung aus verschiedenen Kohlenhydraten. Diese Aussage gilt deshalb nur für Kohlenhydrate einer einzelnen Sorte und nicht für Mischungen aus verschiedenen Kohlenhydraten.
Wir können also feststellen, dass ein Läufer ca. 60 g Kohlenhydrate pro Stunde einer Sorte während eines Wettkampfes verwerten kann. Man muss allerdings auch, erwähnen, dass die Studienteilnehmer, die die größte Menge an Kohlenhydrate zu sich genommen haben, sich auch häufigsten über Magen-Darm-Beschwerden beklagt hatten. Die Vermutung liegt deshalb nahe, dass es besser ist, sich die 60 g auf mehrere kleinere Portionen aufzuteilen, um den Magen-Darm-Trakt weniger zu belasten.
Welche Kohlenhydrate sind die besten?
Macht es überhaupt etwas aus, welche Kohlenhydrate man zu sich nimmt? Wonach geht man, wenn man wissen will, welche Kohlenhydrate die besten sind? Es gibt ja Unmengen verschiedener Sorten Kohlenhydrate, z. B. Glukose, Fruktose, Maltodextrin, usw. und alle Kohlenhydrate haben in etwa den gleichen Energiegehalt (Kalorien). Deshalb sollte es eigentlich keinen Unterschied machen, welche Sorte Kohlenhydrate man zu sich nimmt, oder etwa doch? Probieren geht über studieren und natürlich hat man dies auch ausprobiert.
Jeukendrup hat in einer Übersichtsarbeit von 2008 eine ganze Reihe an Studien zu diesem Thema analysiert, um herauszufinden, welche Kohlenhydrate die besten für die Wettkampfverpflegung sind . Dabei wurden die Kohlenhydrate nicht nur einzeln getestet, man hat auch verschiedene Sorten Kohlenhydrate gemischt. Vielleicht verhalten sich Kohlenhydratgemische anders, als Kohlenhydrate einer einzelnen Sorte. Die Ergebnisse aus diesen Studien hat Jeukendrup in dem folgenden Diagramm dargestellt:
Aus diesem Diagramm erkannt man, dass ein Gemisch aus Fruktose und Glukose (ganz rechts) am besten verwertet wird. Bei diesem Kohlenhydratgemisch konnten die Studienteilnehmer von den 144 g/h eingenommenen Kohlenhydraten bis zu 105 g/h verwerten. Glukose und Fruktose wurden in der entsprechenden Studie im Verhältnis von 1:1 gemischt . Eine neuere Studie kommt zu dem Ergebnis, dass ein Gemisch aus Glukose und Fruktose im Verhältnis von 0.8 : 1 noch besser verwertet werden kann .
Wie kann es aber sein, dass ein Gemisch aus Kohlenhydraten mehr Energie liefert als, ein einzelnes Kohlenhydrat? Wir hatten doch oben festgestellt, dass ein Mensch maximal 60 – 70 g Kohlenhydrate einer Sorte verwerten kann? Dazu muss man wissen, wie die Kohlenhydrate in die Muskeln transportiert werden. Die Kohlenhydrate binden sich an Proteinen und diese Proteine transportieren die Kohlenhydrate in die Muskeln. Man nennt diese Proteine deshalb auch Transportproteine. Unterschiedliche Sorten Kohlenhydrate benutzen auch unterschiedliche Sorten von Transportproteinen. Da ein Gemisch aus Kohlenhydraten mehrere Sorten Transportproteine nutzen kann, können auch mehr Kohlenhydrate in die Muskeln transportiert werden, als wenn nur eine Sorte Kohlenhydrate verwendet wird.
Das ist interessant! Ein Gemisch aus Glukose und Fruktose im Verhältnis von 0.8:1 (oder 8:10) wird vom Körper am besten verwertet. Dazu muss man pro Stunde bis zu 144 g von diesem Gemisch zu sich nehmen, um die meiste Energie zu bekommen. Allerdings kann diese Menge an Kohlenhydraten auch zu mehr Magen-Darm-Problemen während des Wettkampfes führen. Hier muss jeder für sich ausprobieren, in welchen Mengen Kohlenhydrate noch verträglich sind. Da ist ja jeder Körper anders gestrickt.
Weitere Studien/Literatur zu diesem Thema:
Fest, flüssig oder Gel. Macht das einen Unterschied?
Viele der oben genannten Studien wurden mit in Wasser gelösten Kohlenhydratgemischen durchgeführt. Sie waren also flüssig. Wettkampfverpflegung gibt es aber in allen möglichen Zuständen, wie fest (Riegel, Gummibärchen), in Form von Gel und flüssige Wettkampfverpflegung zum Trinken. Da stellt sich doch die Frage, ob es einen Unterschied macht, ob man feste, gelförmige oder flüssige Wettkampfverpflegung zu sich nimmt?
Genau das haben sich Wissenschaftler auch gefragt und die oben beschriebenen Versuche noch mal mit festen und gelförmigen Kohlenhydratgemischen durchgeführt und miteinander verglichen . Alle Studien kamen zu dem Ergebnis, dass es keinen Unterschied macht, in welchem Zustand das Kohlenhydratgemisch vorliegt. Bei allen Formen wurde in etwa die gleiche Menge an Kohlenhydraten verwertet.
Im Ergebnis ist es also Geschmackssache, ob man feste, gelförmig oder flüssige Wettkampfverpflegung zu sich nimmt. Ich bin der Meinung, dass dies jeder für sich ausprobieren muss, welche Form er am besten verträgt.
Dauer des Wettkampfes
Man müsste sich auch die Frage stellen, ab welcher Distanz es Sinn ergibt Wettkampfverpflegung zu sich zu nehmen? Klar ist es, dass es bei einem 100-m-Sprint es keinen Sinn ergibt Wettkampfverpflegung zu sich zu nehmen. Einen Marathon ohne Wettkampfverpflegung zu überstehen ist dagegen nur schwer möglich. Wo genau liegt aber die Grenze, ab wann Wettkampfverpflegung Sinn ergibt?
Dies hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wenn die Kohlenhydratspeicher vor dem Wettkampf nicht ausreichend gefüllt sind, kann ein positiver Effekt der Wettkampfverpflegung schon bei kürzerer Wettkampfdauer eintreten. Gehen wir einmal davon aus, dass die Kohlenhydratspeicher schon kurz vor dem Wettkampf ausreichend gefüllt sind, dann haben Studien gezeigt, dass ein positiver Effekt der Wettkampfverpflegung ab einer Dauer von 90 Minuten eintritt . Bei kürzerer Wettkampfdauer kann ebenfalls ein positiver Effekt mit Wettkampfverpflegung eintreten. Dies hängt aber auch von der Intensität des Wettkampfes ab. Die Studienlage hierzu ist nicht eindeutig.
Interessant ist also, dass ein positiver Effekt nicht von der Wettkampfdistanz, sondern von der Dauer des Wettkampfes abhängt. Die Dauer des Wettkampfes hängt auch von den eigenen Fähigkeiten ab. Für Sportler, die einen Halbmarathon unter 1:20 Stunden laufen können, hat die Wettkampfverpflegung keinen so großen Effekt, wie bei Läufern die mehr als zwei Stunden für den Halbmarathon benötigen.
Fazit
Das war gerade eine ganze Menge Theorie. Im Ergebnis lässt sich sagen, dass Kohlenhydrate dem Fett als Verpflegung während eines Wettkampfes überlegen sind. Am besten hat sich dabei ein Gemisch aus Glukose und Fruktose im Verhältnis von 8:10 herausgestellt. Bei einer Einnahme von 144 g/h von diesem Gemisch kann der menschliche Körper bis zu 105 g/h verwerten. Es spielt dabei keine Rolle, ob die Verpflegung fest, flüssig oder gelförmig eingenommen wird. Eine zusätzliche Verpflegung während eines Wettkampfes zeigt ab einer Wettkampfdauer von mindestens 90 Minuten positive Wirkungen.
Wie man die Theorie in die Praxis umsetzt, erläutere ich, wenn ich dazu komme, in einem separaten Artikel.