Wie funktioniert eine Studie in der Sportwissenschaft? In diesem ausführlichen Beispiel werde ich eine Studie vorstellen, die sich mit der Frage beschäftigt, ob es einen Unterschied macht, wie oft man in der Woche Krafttraining macht und wie man mit dem Ergebnis weiter umgeht.Wie oft sollte man die Woche Krafttraining machen?
Wie könnte man so etwas herausfinden?
Die Frage ist leider gar nicht so ohne Weiteres zu beantworten, denn jeder Mensch reagiert anders auf Krafttraining. Ein Mensch, der gerade erst mit dem Krafttraining anfängt, muss eventuell anders trainieren als ein Mensch mit mehreren Jahren Erfahrung. Genauso sieht es mit dem Alter aus. Ältere Menschen könnten auf Krafttraining anders reagieren als jüngere Menschen, auch das Geschlecht kann hierbei eine Rolle spielen. Wenn man diese Frage also vernünftig beantworten möchte, muss man diese Frage für jede dieser Personengruppe separat untersuchen. Wenn wir Glück haben, kommen wir ja vielleicht für jede Personengruppe zum selben Ergebnis.
Das nächste Problem, was wir haben ist, was wir eigentlich mit dem Krafttraining erreichen wollen. Wollen wir nur stärker werden oder wollen wir das unsere Muskeln wachsen oder wollen wir vielleicht ausschließlich Körperfett verlieren? Könnten Muskeln an den Armen anders reagieren, als die Muskeln am Rücken oder an den Beinen? Könnte die Übung, mit der man einen Muskel trainiert, Einfluss darauf haben, wie oft man diesen in der Woche trainiert? Beispielsweise sind Bankdrücken und Butterfly sind beides Übungen für die Brust. Macht es einen Unterschied, ob man die eine Übung oder die andere Übung für das Brusttraining wählt? Diese Fragerei könnte man beliebig weit fortführen, aber irgendwo muss man doch mal Schluss machen.
Wenn man diese Frage wissenschaftlich beantworten möchte, dann sucht man sich ein paar Freiwillige aus derselben Personengruppe (z. B. alles junge Männer ohne Trainingserfahrung) und teilt sie in zwei oder mehrere Gruppen auf. Die eine Gruppe trainiert einmal die Woche, die zweite zweimal die Woche, die dritte dreimal die Woche und so weiter. Nach einer gewissen Zeit schaut man dann, welche Gruppe die meisten Fortschritte gemacht hat. Jetzt könnte man natürlich sagen, dass die Gruppe, die öfter trainiert mehr Fortschritte macht, denn sie trainiert ja insgesamt auch mehr. Genau das wollen wir aber nicht, also müssen wir die Gruppen so trainieren lassen, dass alle Gruppen auf die gesamte Woche gesehen gleich viel trainieren. Man könnte also sagen, dass alle Gruppen pro Woche insgesamt 60 Squats machen müssen. Die erste Gruppe, die dann nur einmal pro Woche trainieren muss, dann alle 60 Squats an einem Tag machen, die zweite Gruppe macht dann zweimal die Woche jeweils 30 Squats, die dritte Gruppe macht dann an drei Tagen jeweils 20 Squats und so weiter. Auf die Woche gesehen haben alle Gruppen das gleiche Trainingsvolumen von 60 Squats absolviert.
Jetzt kommt die spannende Frage: Was passiert mit den einzelnen Gruppen, wenn man wirklich solche Experimente macht? Welche Gruppe schneidet, wo am besten ab?
Die Studie von Arazi und Asadi
Die Wissenschaftler Hamid Arazi und Abbas Asadi von der Universität Guilan (Iran) haben im Jahr 2011 eine Studie veröffentlicht, in der sie genau so ein Experiment gemacht haben . Sie haben 39 junge Männer, um die 20 Jahre und ohne Trainingserfahrung genommen und in vier Gruppen eingeteilt. Die erste Gruppe hat einmal die Woche trainiert (samstags), die zweite zweimal (samstags und dienstags) und die dritte Gruppe hat dreimal die Woche trainiert (Samstag, Montag und Mittwoch). Die vierte Gruppe hat gar nicht trainiert, sie dient nur als Vergleich zu den anderen Gruppen um zu sehen wie groß die Fortschritte der anderen drei Gruppen waren im Vergleich dazu, wenn man nicht trainiert.
Diese drei Gruppen hat man acht Wochen lang ein Ganzkörpertraining absolvieren lassen, und zwar so, dass jede Gruppe über die ganze Woche gesehen das gleiche Trainingsvolumen absolviert haben (siehe oben). Die Wissenschaftler haben dann untersucht, wie sich das Gewicht, der Körperfettanteil, der Armumfang, der Oberschenkelumfang, die Maximalkraft und die Kraftausdauer beim Bankdrücken und an der Beinpresse verändert hat.
Das Training der drei Gruppen
Bevor es mit dem eigentlichen Krafttraining losging, hat jede Gruppe vor dem Training sich mit leichten Übungen, wie z. B. Aerobic und Dehnen 5 – 10 Minuten aufgewärmt. Im Anschluss des Trainings gab es ebenfalls ein entsprechendes Cool-Down Programm. Das Krafttraining an sich wurde von einem Trainer begleitet, der darauf geachtet hat, dass alle Übungen sauber ausgeführt werden und die Athleten auch genügend trinken. Allgemein hat man herausgefunden, dass man mit einem Training, welches von einem Trainer überwacht wird, bessere Erfolge erzielt, als ein Training ohne Trainer .
Das Training an sich bestand aus einer Mischung aus Training mit freien Gewichten und Training an Geräten. Konkret bestand das Training aus den Übungen
Beine:
Rücken:
Brust:
Arme:
Bei jeder Übung wurden 6 – 12 Wiederholungen durchgeführt. Die Sätze wurden in den drei Trainingsgruppen so gewählt, dass alle Gruppen in einer Woche dieselbe Anzahl an Sätzen ausgeführt hat. Zwischen den Sätzen gab es eine Satzpause von 2 -3 Minuten. Alle zwei Wochen wurde das Trainingsgewicht der Übungen entsprechend den Fortschritten der Athleten erhöht.
Vor und nach dem 8-wöchigen Trainingsprogramm wurde das Gewicht, der Körperfettanteil, der Armumfang, der Umfang des Oberschenkels, die Maximalkraft im Bankdrücken und an der Beinpresse und die Ausdauer beim Bankdrücken und an der Beinpresse der Testpersonen bestimmt. Die Ausdauer wurde über die maximale Anzahl an Wiederholungen bei einem bestimmten Trainingsgewicht bestimmt.
Das Ergebnis
Nun ist die Frage, wie sich die gemessenen Werte in den drei Gruppen entwickelt haben und wie haben sie sich im Vergleich zu der Gruppe entwickelt, die kein Training absolviert hat?
Der Körperfettanteil hat sich in allen drei Trainingsgruppen signifikant verbessert. Er sank von ursprünglich 13,5 % auf knapp unter 12,5 %, während es in der Gruppe ohne Training keine signifikante Verbesserung des Körperfettanteils gab. Es war dabei egal, wie oft man in der Woche trainiert hat, der Körperfettanteil ist bei allen Trainingsgruppen gleichermaßen gesunken.
Die Maximalkraft im Bankdrücken und an der Beinpresse haben sich in allen drei Trainingsgruppen ebenfalls stark verbessert. Beim Bankdrücken konnten die Testpersonen im Schnitt 6 kg mehr drücken. An der Beinpresse konnten die Testpersonen im Schnitt 8 kg mehr drücken. Auch hier spielte es keine Rolle, wie oft die Teilnehmer in der Woche trainierten, die Verbesserung war bei allen Teilnehmern in etwa gleich.
Der Umfang des Oberschenkels hat sich dagegen nur bei den Testpersonen signifikant verbessert, die mindestens zwei bzw. dreimal die Woche trainiert haben. Der Armumfang hat sich bei den Testpersonen signifikant verbessert, die einmal oder dreimal die Woche trainiert haben. Zu diesem komischen Ergebnis komme ich später noch mal darauf zurück (siehe unten).
Die Ausdauer im Bankdrücken verbesserte sich nur bei den Teilnehmern signifikant, die zweimal bzw. dreimal die Woche trainiert hatten. An der Beinpresse verbesserte sich die Ausdauer aller Trainingsteilnehmer signifikant. Es machte dabei keinen Unterschied, wie oft man in der Woche trainierte, die Verbesserungen sind bei allen Trainingsgruppen gleich ausgefallen.
Wie man Messwerte auswertet
Ein Problem bei solchen Studien ist das Problem, wie man solche Messwerte auszuwerten hat. Wenn man den Körperfettanteil oder das Gewicht einer Person misst, so wird man in der Regel nicht immer dasselbe Ergebnis erhalten. Solche Messwerte unterliegen natürlichen Schwankungen. Wie kann man aber solche natürlichen Schwankungen von echten Veränderungen durch z. B. Training unterscheiden?
Dazu bedient man sich einem Werkzeug aus der mathematischen Statistik, der Varianzanalyse. In diesem Zusammenhang ist auch oft von der Abkürzung ANOVA, welche aus dem Englischen „ANalysis Of VAriance“ kommt, die Rede. Mit der Varianzanalyse untersucht man Messwerte und überprüft, mit welcher Wahrscheinlichkeit sich die Schwankungen dieser Messwerte in einem bestimmten Bereich liegen.
In unserer Studie hat man die oben genannten Größen einmal vor und einmal nach dem Training des 8-wöchigen Trainingsprogramms gemessen. Nun hat man die Wahrscheinlichkeit dafür ermittelt, ob die gemessenen Werte natürliche Schwankungen oder durch das Training hervorgerufen worden sind. Man hat festgestellt, dass die Werte mit einer Wahrscheinlichkeit von weniger als 5 % durch natürliche Schwankungen hervorgerufen worden ist. In Studien ist dafür auch oft die Schreibweise
\( P < 0.05 \)
anzutreffen. Der Buchstande P steht hier für die Wahrscheinlichkeit (engl. Probability). Beträgt die Wahrscheinlichkeit weniger als 5 %, dass die Schwankungen in den Messwerten durch natürliche Schwankungen hervorgerufen worden ist, so sagt man auch, dass die Unterschiede signifikant waren.Diskussion
Studien haben in der Regel einen Abschnitt, der mit der Überschrift „Diskussion“ bezeichnet ist. In diesem Abschnitt werden die eigenen Ergebnisse noch mal kritisch hinterfragt, mit anderen Studien vergleichen und in welche Richtung man weiter forschen sollte. Bei unserer Studie haben die Autoren die Behauptung aufgestellt, dass dreimal die Woche Training zu besseren Ergebnissen führt, als zwei- bzw. einmal die Woche. Diese Behauptung konnte sich nicht bestätigen, da alle Teilnehmer in den drei Trainingsgruppen in etwa dieselben Fortschritte gemacht haben.
Die Autoren dieser Studie weisen auch darauf hin, dass Berger und seine Kollegen in einer ähnlichen Studie aus dem Jahr 1962 zu einem anderen Ergebnis kommen . Sie haben die Leistung der Teilnehmer beim Bankdrücken verglichen und kamen zu dem Ergebnis, dass drei Trainingseinheiten, zwei bzw. einer Trainingseinheit überlegen waren. Dieses Ergebnis erzielten auch Feigenbaum und Pollock in einer Studie aus dem Jahr 1997 .
Allerdings gibt es auch Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass einmal, zweimal und dreimal Training die Woche, bei gleichen Trainingsvolumen den gleichen Effekt haben, wie z. B. die Studie von Graves und seine Kollegen aus dem Jahr 1990 . DeMichele und seine Kollegen kommen in einer Studie aus dem Jahr 1997 zu dem Ergebnis, dass zwei- und dreimal Training die Woche gleichwertig ist, aber dem Training einmal die Woche überlegen ist .
Diese Diskussion könnte noch ziemlich weit ausgedehnt werden und stiftet mehr Verwirrung als Klarheit, denn die Aussage dieser Diskussion ist, dass unterschiedliche Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Aufgabe der Forschung wäre es nun herauszufinden, worin sich die einzelnen Studien unterscheiden, um eine Aussage treffen zu können, woran das liegt, dass die Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen.
Ausblick
Stehen genügend Studien zu einem Thema zu Verfügung, so werden sogenannte Übersichtsstudien angefertigt. Übersichtstudien analysieren die aktuelle Studienlage zu einem bestimmten Thema und versuchen daraus eine allgemeine Aussage abzuleiten. Eine Übersichtsstudie kann aber auch zu dem Ergebnis kommen, dass bisher noch nicht ausreichend Studien zu Verfügung stehen, um eine Fragestellung beantworten zu können.
Zu diesem Thema hat Brad Schoenfeld im Jahr 2016 eine Übersichtsstudie angefertigt, in der er 491 Studien zu diesem Thema ausgewertet hat . Er hat sich die Frage gestellt, ob es bezogen auf das Muskelwachstum, besser ist einmal, zweimal oder dreimal in der Woche zu trainieren. Er kam zu dem Ergebnis, dass man ein größeres Muskelwachstum erzielt, wenn man eine Muskelgruppe zweimal die Woche, statt einmal die Woche trainiert und dabei Trainingsvolumen gleich hält.
Auf die Frage, ob dreimal die Woche Training pro Muskelgruppe zu einem größeren Muskelwachstum führt, als zweimal die Woche, konnte er nicht beantworten. Für diese Fragestellung standen nicht genügend Studien zu Verfügung.
Weblinks