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Vorfuß oder Rückfuß – Welcher Laufstil ist besser?

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Wenn ich mich mit Läufern unterhalte, taucht immer wieder die Frage auf, ob es besser ist auf den Vorfuß oder auf den Rückfuß zu laufen. Es heißt dann immer, wer auf den Rückfuß läuft, ist anfälliger für Verletzungen und dass man schneller ist, wenn man auf den Vorfuß läuft. Stimmt das denn?

Füße eines Läufers der auf Zehnspitzen auf einer Tartanbahn steht

Die verschiedenen Laufstile

Bevor wir diese Fragen klären können, müssen wir erst mal feststellen, was für Laufstile es überhaupt gibt. Ich denke, jeder kann sofort die drei Typen Vorfuß-, Mittelfuß und Rückfußläufer aufzählen. Was genau diese drei Typen sind, ist auf der Seite von Herbert Steffny ausführlich und verständlich erklärt (→ Was ist der 'richtige' Laufstil beim Fuß abrollen?!). Was allerdings kaum jemand weiß ist, dass es noch sogenannte Splitläufer gibt. Beim Milwaukee Lakefront Marathon im Jahr 2011 hat man bei Kilometer 8.1 eine Hochgeschwindigkeitskamera aufgestellt und wollte nachzählen wie viele Vorfuß-, Mittelfuß- und Rückfußläufer dort mitlaufen und man hat dort auch Läufer beobachtet, die auf einer Seite mit dem Vorfuß aufkommen und auf der anderen Seite mit dem Rückfuß . Ich kann mir vorstellen, dass die Beobachter ziemlich überrascht waren, als sie so was gesehen haben. Wenn sich der Fußaufschlag auf der linken und auf der rechten Seite unterscheidet, nennt man diesen Typ Splitläufer.

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Wie viele laufen auf den Vor-, Mittel- oder Rückfuß?

Nun wollen wir aber erst mal wissen, wie viele Vorfuß-, Mittelfuß- und Rückfußläufer es unter uns Freizeitläufern überhaupt gibt. Bei dem oben erwähnten Marathon waren 93.67 % der analysierten Läufer Rückfußläufer, 5.07 % waren Mittelfußläufer, 0.55 % waren Vorfußläufer und 0.7 % waren Splitläufer. Im Jahr 2015 hat man bei einem Wettkampf unter Freizeitläufern in São Paulo ebenfalls nachgezählt, wie viele Vorfuß-, Mittelfuß- und Rückfußläufer es gibt und dort kommt man zu einem ähnlichen Ergebnis. 95 % der Läufer liefen auf dem Rückfuß, 4 % auf dem Mittelfuß und 1 % auf dem Vorfuß . Die allermeisten Freizeitläufer sind also Rückfußläufer.

Jetzt möchte man natürlich auch wissen, wie das ganze unter den Profis aussieht. So eine Zählung der Laufstile hat man auch bei einem Halbmarathon durchgeführt, wo die Weltelite mitgelaufen ist und dort waren 75 % aller Profis Rückfußläufer, 24 % Mittelfuß und nur 1 % Vorfußläufer . Interessent ist, dass auch unter den Profis der Großteil Rückfußläufer und ebenfalls nur 1 % Vorfußläufer sind. Da stellt man sich doch die Frage, ob Vorfußlaufen wirklich die bessere Variante ist, wenn nur 1 % der Eliteläufer auf den Vorfuß läuft?

Wer ist denn nun der Schnellste?

Es gibt mehrere Studien, in der systematisch analysiert wurde, welche Laufparameter bei welchen Laufstil besser sind. Die Zeit, wie lange ein Fuß bei einem Schritt den Boden berührt, nennt man Bodenkontaktzeit und diese ist bei Vorfußläufern und Mittelfußläufer besser (also kürzer) als bei Rückfußläufern . Bei der Schrittlänge kamen die Studien bisher zu unterschiedlichen Ergebnissen. Mal gab es keinen Unterschied zwischen Vorfuß- und Rückfußläufern und mal hatten die Rückfußläufer eine größere Schrittlänge . Die Schrittfrequenz ist bei Vorfuß- und bei Rückfußläufern gleich . Tja, das hilft uns nicht wirklich weiter.

Ein aussagekräftiger Wert ist aber die Running Economy (Laufökonomie), denn damit kann man am besten die Leistungsfähigkeit zwischen Läufern vergleichen und diese unterscheidet sich nicht wirklich zwischen Vorfuß- und Rückfußläufern . Allerdings hat man in einer Studie auch festgestellt, dass Mittelfußläufer eine bessere Running Economy haben als Rückfußläufer . Nun könnte man natürlich denken, dass Mittelfußläufer besser sind als Vorfuß- und Rückfußläufer, immerhin sind bei den Eliteläufern mehr Mittelfußläufer vertreten als bei den Freizeitläufern (siehe oben).

Während des Laufens benötigt man Kohlenhydrate und Sauerstoff und da verbrauchen Vorfußläufer mehr als Rückfußläufer und das führt dazu, dass Vorfußläufer während eines langen Laufes schneller ermüden. Bei einem Marathon für Freizeitsportler im Jahr 2011 hat man beobachtet, dass viele Vorfußläufer eines Marathons zwischen Kilometer 10 und 32, wahrscheinlich unbewusst, ihren Laufstil auf Rückfuß umgestellt haben . Dies könnte damit zu tun haben, dass das Rückfußlaufen ökonomischer bezüglich Sauerstoff- und Kohlenhydrateverbrauch ist. Die Frage, was also besser ist, kann man nicht so einfach beantworten. Meine Meinung dazu gibt es am Ende des Beitrags.

Wie sieht es mit der Verletzungsanfälligkeit aus?

Hierzu gibt es eine interessante Übersichtsstudie aus dem Jahr 2015 von Almeida, Davis und Lopes in der sie die aktuelle Forschungslage zu den Laufstilen und den Auswirkungen auf die verschiedenen Teile des Körpers zusammengefasst haben . Sie haben festgestellt, dass bei Vorfußläufern mehr Kraft auf die Wade einwirkt, als bei Rückfußläufern. Daraus könnte man schließen, dass Vorfußläufer anfälliger für Achillessehnenprobleme sind . Allerdings ist der Impuls, der beim Aufkommen eines Rückfußläufers auf das Bein einwirkt, größer als bei Vorfußläufern und dies könnte zu einer höheren Anfälligkeit für Plantarfasziitis und Ermüdungsbrüche im Schienbein führen . Ob es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen den Fußaufschlag und bestimmten Verletzungen besteht, kann bisher nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden, da es hierfür an aussagekräftigen Studien fehlt .

Meine Meinung dazu

Das sind natürlich alles recht viele Informationen, die man erst mal kombinieren muss. Wenn ich mir die mögliche Anfälligkeiten für Verletzungen anschaue, dann macht es keinen Unterschied, ob ich Vorfuß- oder Rückfußläufer bin, denn entweder bin ich am Schienbein und der Plantarfasziitis anfälliger oder an der Achillessehne und an der Wade. Ich kann mir aber vorstellen, dass ein Mittelfußläufer, als Zwischending zwischen Vor- und Rückfußläufer, die Krafteinwirkung besser auf Wade und Schienbein verteilt und dieser Laufstil somit vorteilhafter ist, was Verletzungen angeht. Deshalb einen Punkt für den Mittelfußläufer.

Nun könnte man in den Abschnitt oben einen Vorteil für die Vorfußläufer (geringere Bodenkontaktzeit) herauslesen, was das Tempo angeht, allerdings verbrauchen die Vorfußläufer auch mehr Sauerstoff und Kohlenhydrate. Ich kann mir vorstellen, dass Vorfußlaufen auf kürzeren Strecken vorteilhafter ist als Rückfußlaufen und dass es auf langen Strecken umgekehrt ist. Allerdings ist die Running Economy bei Mittelfußläufern besser als bei Rückfußläufern. Ich kann mir vorstellen, dass Mittelfußlaufen, als Zwischending zwischen Vorfuß- und Rückfußlaufen, ebenfalls vorteilhafter ist. Immerhin laufen deutlich mehr Profis auf den Mittelfuß als Freizeitläufer. Ich vermute, dass es daran liegt, dass sich der Laufstil bei manchen Läufern hin zum Mittelfußlauf anpasst, wenn man oft genug trainiert, deshalb wieder einen Punkt für den Mittelfußläufer.

Insgesamt würde ich also den Mittelfußlauf als den besten Laufstil ansehen, wobei ich empfehle, den Laufstil nicht zwangsweise umzustellen. Ich denke, wenn man oft genug trainiert stellt der Laufstil sich von ganz alleine langsam auf den Mittelfußlauf um.

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